Was tun gegen Radikalisierung?

17. Juni 2024  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Demonstration der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreichs gegen die Einwanderungspolitik Österreichs sowie jener der Europäischen Union, 2013 (Ataraxis1492, CC BY-SA 3.0)

Die Gemeinsamkeiten von Rechtsextremen und Islamismus sowie der Antifeminismus konservativer Kreise war Thema der Gesprächsrunde „Extremismus auf dem Vormarsch“. Dieser fand im Schweizer Radio und Fernsehen statt.

Verschiebung nach rechts

Aus Sicht der Extremismus-Expertin Julia Ebner werde der öffentliche Diskurs immer weiter nach rechts verschoben. Im rechten Sprachgebrauch würden Worte wie „Diversität“, „progressiv“ oder „Feminismus“ negativ konnotiert. „Frauenfeindliche Begriffe aus der Incel-Szene werden auf Tiktok aufgegriffen“, erläuterte sie, etwa durch den Influencer Andrew Tate. Auch habe man beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 sehen können, dass ein Großteil der Demonstrant*innen der sogenannten Mittelschicht angehörten. „Viele glauben an die Ideologie des Großen Austausches, dass die weiße Rasse durch Migrant*innen ersetzt werden solle“, warnte sie.

Frauenfeindlich und Patriarchat

Doch sei auch eine geschlechtsspezifische Besonderheit in den USA zu erkennen. Dort seien vor allem Frauen progressiv-liberalen Strömungen zuzuordnen, während junge Männer sich vermehrt erzkonservativ bis rechtsextrem orientierten. „Gleichberechtigung soll zu einer geringeren Geburtenrate bei Frauen und somit der Überfremdung durch Nicht-Weiße führen“, erläuterte sie das Denken solcher Gruppen. Auch sei es das angebliche Ziel der LGBTQI-Bewegung, die traditionelle Familie zu zerstören. „In ihrer Frauenfeindlichkeit und dem patriarchalen Traditionalismus trifft sich die extreme Rechte mit dem Islamismus“, zog Ebner Parallelen.

Empathisches Umdenken

Studien zu Deradikalisierung hätten ergeben, dass man extremistische Einstellungen mit Fakten kaum beeinflussen könne. Stattdessen habe es mehr Umdenken gegeben, wenn man die Motivation der Akteure nachvollzogen hätte. „Es handelt sich oft um eine gefühlte Unsicherheit und Angriffe auf die persönliche oder kollektive Identität“, nannte die Forscherin Ursachen. Wichtig sei, wieder in einen gemeinsamen Dialog zu kommen, aber auch an Schulen die Gefahren von radikalisierten Online-Foren für die Gesellschaft zu thematisieren. „Die Parteien der Mitte müssen vorhandene ökonomische Ungerechtigkeiten ansprechen“, ging sie auf ein weiteres Problem ein.

Tradition als Sicherheit

Auf diesen Punkt ging der Schriftsteller Karl-Heinz Ott ein, der erläuterte, dass finanzielle Prekarisierung zu Unsicherheit und Ängsten führe. Auch könne eine großflächige Deindustrialisierung und ein schnell voranschreitender Wandel der Lebenswelt Abwehrreaktionen auslösen. „Brüssel will Europa mit Migrant*innen überschwemmen und die erzkonservative Gesetzgebung in Polen unterbinden“, schilderte er die Sorgen von Ryszard Legutka, dem früheren polnischen Bildungsminister und Co-Vorsitzenden des EU-Parlaments (Fraktion Konservative & Reformer). In diesem Denken führe die Abkehr von der Tradition unweigerlich in den Untergang.

Der Untergang des Abendlandes?

Damit schlug er die Brücke zu Oswald Spengler und seinem 1918 veröffentlichten Buch „Der Untergang des Abendlandes“. In dessen Systematik gäbe es neben der ägyptischen auch die chinesische, indische, babylonische oder arabische Kultur sowie – mit Bezug auf Goethe – die „faustischen“ Abendländer. Alle besaßen ihre eigenen Erkenntnisformen, eine universelle Mathematik sei somit kulturell unmöglich. „Vermischen sich diese Kulturen, zerstört das den Nationalstaat“, ging er auf die Anknüpfungspunkte des deutschen Philosophen mit den extremen Rechten ein.

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