China und Taiwan: Droht ein Krieg?

15. Juni 2024  International
Geschrieben von Kreisverband

Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung

Die Spannungen zwischen der Volksrepublik China und der auf Taiwan befindlichen Republik China waren Thema in der 15. Folge von dis:arm, dem friedenspolitischen Podcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Das Ein-China-Prinzip

Der Ursprung des Konflikts zwischen China und Taiwan liegt im Ende des Chinesischen Bürgerkriegs, als die Kommunist*innen under Mao Zedong Peking einnahmen und die nationalistische Regierung Chiang Kai-sheks auf die Insel Taiwan (früher: Formosa) flüchtete. Sowohl die kommunistische Volksrepublik China auf dem Festland als auch die auf der Insel gelegene Republik China beanspruchen gemäß dem Ein-China-Prinzip, die einzige rechtmäßige Regierung des gesamten Landes zu sein. Da sich mit dem wirtschaftlichen Aufschwung Chinas immer mehr Staaten der Volksrepublik zuwandten, verlor Taiwan 1971 seinen Sitz bei den Vereinten Nationen.

Wirtschafts- und Militärmacht

Seit der Präsidentschaft von Barack Obama fokussiert sich die US-amerikanische Politik ab 2010 auf Asien. China ist nach den USA die zweitstärkste Militärmacht, beide Staaten verfügen über Atomwaffen und stehen in wirtschaftlicher Konkurrenz zueinander. Jedoch verfügt China über keinen Zugang zur Tiefsee, da der Pazifik durch Länder wie Japan, Südkorea oder die Philippinen abgetrennt sind, die alle gute Kontakte zu den Vereinigten Staaten unterhalten. So ist es für chinesische U-Boote etwa kaum möglich, unerkannt auszulaufen.

Handel statt Gewalt

Die chinesische Politik orientiert sich stark an dem ca. 500 v. Chr. von Sunzi verfassten Buch „Die Kunst des Krieges“. Somit sei der beste Krieg der, welcher gar nicht geführt werde. Unter dieser Prämisse gibt es zwar zahlreiche militärische Drohgebärden, doch versucht die Kommunistische Partei, ihre Ziele auch über wirtschaftliche Machtausübung zu erreichen. Dies zeigte sich beispielsweise in der „Strategischen Geduld“, die eine Vereinigung mit Taiwan zwar offiziell anstrebte, dieses Ereignis aber erst „in der nächsten Generation“ umsetzen wolle.

Keine „Strategische Geduld“ mehr

Der Verlust Taiwans wird von chinesischer Seite als ein nationales Trauma gesehen. War das Alte China über Jahrhunderte das bestimmende „Reich der Mitte“, erlitt es im 19. Jahrhundert in den zwei Opiumkriegen (1840, 1860) demütigende Niederlagen gegen Großbritannien. 1895 wurde es vom aufstrebenden Japan besiegt, das damals auch Taiwan besetzte. Im Zweiten Weltkrieg okkupierten japanische Truppen auch weite Teile Festlandchinas. Diese „leidvolle Zeit“ werde aus Regierungssicht erst beendet sein, wenn das Festland und Taiwan unter kommunistischer Herrschaft wieder vereint seien. Staatspräsident Xi Jingping forderte, von der „Strategischen Geduld“ abzuweichen und die Vereinigung noch in seiner Amtszeit durchzusetzen.

Annäherung oder Abgrenzung

Seit 1949 hatte Chiang Kai-shek mit seiner Kuomintang (KMT) ein autoritäres Regierungssystem auf der Insel errichtet und weiterhin das Ein-China-Prinzip verfolgt. Nach der Aufhebung des Kriegsrechts 1987 gründete sich die oppositionelle Demokratische Fortschrittspartei (DPP), 1992 gab es die ersten freien Wahlen. Der amtierende liberale DPP-Präsident kann sich entgegen der konservativen KMT auch ein Zwei-China-Prinzip vorstellen. In der taiwanesischen Politik gibt es weniger eine Links-Rechts-Unterscheidung, als eher unterschiedliche Positionen zu China. Während die KMT für eine Annäherung an die kommunistische Regierung steht, setzt die DPP auf Abgrenzung.

Das „Silicon Shield“

Expert*innen halten eine militärische Invasion Taiwans durch die Volksarmee Chinas innerhalb der nächsten zwei Jahre für unwahrscheinlich. Denn schließlich werden 90 Prozent der gesamten Mikrochips in Taiwan produziert. Somit sind die Volksrepublik, aber auch die Vereinigten Staaten oder Europa wirtschaftlich von der kleinen Insel abhängig. Da das Land die benötigten Rohstoffe jedoch vor allem aus den USA importieren muss, würde eine kriegerische Auseinandersetzung ein Handelsembargo nach sich ziehen, so dass China in den eroberten taiwanesischen Fabriken keine Chips und Halbleiter herstellen könnte.

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