Waffenexporte außer Kontrolle

30. Juni 2024  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung

Wirtschaftliche Interessen bei Waffenexporten und juristische Versuche, gegen die Verkäufe von Sturmgewehren, Panzerfäusten oder Flugzeugbauteilen vorzugehen, waren Thema bei „Waffenexporte außer Kontrolle“. Die 16. Folge von dis:arm, dem friedenspolitischen Podcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) beschäftigte sich mit Waffenexporten.

Waffen für den IS

Ist eine Waffe einmal im Umlauf, kann niemand mehr kontrollieren, in wessen Hände sie gerät, bilanzierte Jan van Aken. So hätten kurdische Einheiten bei Rojava 2014 eine deutsche Panzerfaust vom Typ Milan aus den Beständen des Islamischen Staats erbeutet. „In den 70er Jahren ist sie über Frankreich nach Syrien geliefert worden und dann bei den Islamist*innen gelandet“, beschrieb der RLS-Referent für internationale Konflikte den Reisezyklus der Waffe. Beachte man, dass in der Bundesrepublik jedes Jahr Waffenexporte im Wert von 8 Milliarden Euro genehmigt würden, sei dies bedenklich.

Kriegswaffen nach Mexiko

Dabei unterteilt man in Kriegswaffen, also Sturmgewehre, Handgranaten oder Panzer, die dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegen. Firmen, die Kriegswaffen ins Ausland verkaufen wollen, benötigen die Zustimmung des Bundeswirtschaftsministeriums. Im Heckler & Koch-Prozess, der sich um die illegale Ausfuhr von G36-Sturmgewehren befasste, erläuterte ein Mitarbeiter der Behörde, man sei das Ministerium für Wirtschaft und habe deshalb ein Interesse daran, dass der renommierte Waffenhersteller wirtschaftlich überleben könne. 2014 schossen mexikanische Polizisten in der Stadt Iguala mit vom deutschen Unternehmen produzierten Gewehren auf Studenten, die sich gegen das organisierte Verbrechen in der Region Guerrero engagierten. Sechs junge Menschen starben, 43 verschwanden.

„Politische Grundsätze“

Die zweite Kategorie sind Rüstungsgüter. Diese können Uniforme, Helme, aber auch Nachtsichtgeräte oder elektronische Software umfassen. Für deren Export wird die Erlaubnis des Bundesausfuhramtes benötigt. „99 Prozent der Anträge werden genehmigt“, wies van Aken auf die geringe Kontrollfunktion der Ämter hin. Das einzige Dokument, in dem Kriterien für den Export von Waffen benannt werden, sind die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export für Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“. Dabei müsse jedoch stets zwischen Menschenrechten und außenpolitischen Sicherheitsinteressen abgewogen werden.

Ausnahmen sind die Regel

Die Grundsätze wurden 1998 unter der rot-grünen Regierung einführt und besagten eigentlich, dass keine Exporte in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union oder der NATO erfolgen dürften. Ausnahmen von dieser Regelung seien nur bei besonderen außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland möglich. „Diese ,Ausnahmen‘ machen mittlerweile 90 Prozent der Exporte aus“, ordnete van Aken die veränderte Sichtweise der Regierung ein. So hatte Deutschland 2023 zum Beispiel Waffen und Rüstungsgüter im Wert von 326 Millionen Euro nach Israel geliefert, darunter Panzerfäuste, die mittlerweile auch im Gaza-Krieg eingesetzt werden.

Keine Waffen nach Israel

Daraufhin klagte das European Center for Constitutional and Human Rights ECCHR vor dem Berliner Verwaltungsgericht, dass Deutschland keine weiteren Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet liefern dürfe. Das Gericht wies den Antrag jedoch mit der Begründung ab, dass seit dem Überfall der Hamas auf Israel keine Kriegswaffen mehr in die Region genehmigt worden wären.

Krieg im Jemen

Zu einer weiteren gerichtlichen Auseinandersetzung kam es im Zuge des Jemenkriegs. Dort führte eine von Saudi-Arabien geleitete Koalition seit 2015 massive Luftangriffe und Hafenblockaden gegen die aufständischen Huthis durch. 300.000 Tote sind das Ergebnis, das als eine der größten humanitären Katastrophen unserer Zeit gesehen wird. 2017 untersagte die Bundesregierung den Export von Waffen in die Krisenregion, wobei multinationale Projekte wie der Eurofighter davon ausgenommen waren. Daraufhin legten Jemeniten, die durch Luftbombardements zahlreiche Familienangehörige verloren hatten, Widerspruch ein, um den Export von Rüstungsgüter für den Luftkrieg zu unterbinden. Das Anliegen wurde im April 2024 abgelehnt. Doch immerhin herrscht in den Bürgerkriegsland seit zwei Jahren ein fragiler Waffenstillstand.

Es braucht klare Verbote

Der RLS-Experte wünschte sich ein transparentes Rüstungsexportgesetz, das konkrete Verbote enthält, die auch umgesetzt würden. So könne der Bundestag beispielsweise eine Auflistung der monatlich genehmigten Exporte online veröffentlichen. Wie man 2014 am Beispiel der Leopard-2-Panzer nach Saudi-Arabien sehen konnte, verhinderte ein gesellschaftlicher Aufschrei die Auslieferung. Verbandsklagen für Nichtregierungsorganisationen könnten Gerichtsprozesse gegen Exporte erleichtern. Und auch der Verkauf von Kleinwaffen oder ganzen Waffenfabriken müsse verboten werden, forderte van Aken. Denn in den 60er Jahren hatte die Bundesrepublik eine Fabrik für G3-Sturmgewehre an den Schah von Persien geliefert. Seit der Iranischen Revolution fertigt das theokratische Mullah-Regime die Waffen für sich und liefert sie darüber hinaus in die ganze Welt.

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